Der Kostendruck innerhalb des Gesundheitssystems verlangt auch von den Heilmittelerbringern (Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden u.a.) ein professionelles und evidenzbasiertes Arbeiten. Die Forderungen der Politik werden zunehmend auch innerhalb der Ergotherapie aufgegriffen. Die in Deutschland voranschreitende Akademisierung der therapeutischen Berufe, aber auch die Ausbildung von Therapeuten an spezialisierten Berufsfachschulen, legt deshalb einen besonderen Schwerpunkt auf die Qualität des therapeutischen Arbeitens durch den Einsatz von Assessments in der Ergotherapie.
Assessments im therapeutischen Prozess helfen dabei im Sinne des Qualitätsmanagementes ein standardisiertes und professionelles Vorgehen innerhalb der Therapie sicher zu stellen. Der Begriff Assessment bedeutet in diesem Kontext soviel wie „Befund- “ oder „Statuserhebung“. (Harth A., Pinkepank S., 2006)
Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Assessmentinstrumenten die zur Sondierung der aktuellen Klientensituation herangezogen werden können. Mit deren Hilfe lassen sich Stärken, Schwächen, Präferenzen, Ziele und funktionelle Fähigkeiten und Fertigkeiten bzw. Einschränkungen ermitteln. Sie dienen der Situationsanalyse und sind damit die Grundlage für ein klientenzentriertes Vorgehen.
Assessments als Grundlage eines therapeutischen Qualitätsmanagementes
Durch den Einsatz geeigneter Instrumente wird der Klient soweit wie möglich in den Mittelpunkt des therapeutischen Denken und Handelns gestellt. Assessments in der Ergotherapie garantierten, dass der ganzheitlichen Sichtweise auf Gesundheit und Autonomie des Klienten, auf Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Teilhabe in den für Ihn wichtigen Lebensbereichen Rechnung getragen wird. So garantiert ein Assessment welches auf der Grundlage des biopsychosozialen Modells der Gesundheit basiert, dass auch der Klient als Experte seiner eigenen Situation mit im Zentrum der Überlegungen steht. Weiterhin stellen Assessmentverfahren die Basis für professionelle Kommunikation dar, sie verbessern eine einheitliche Dokumentation der Behandlungsergebnisse und erhöhen damit auch die wissenschaftliche Überprüfung und Nachvollziehbarkeit. (Harth A., Pinkepank S., 2006)
Zu beachten ist hierbei insbesondere, dass die Erhebung der Daten und die Analyse der Situation kein starrer Prozess ist der nur am Anfang der therapeutischen Intervention durchgeführt wird. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen dynamischen Prozess, der zu Beginn, insbesondere aber auch im therapeutischen Verlauf immer wieder zu neuen Erkenntnissen und zu neuen Daten führen kann. Diese neuen Erkenntnisse müssen dann in den weiteren Therapieverlauf miteinbezogen werden. Um die aus einem Assessment gewonnenen Daten richtig zu interpretieren und zu bewerten ist dabei ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz und Erfahrung erforderlich. (Harth A., Pinkepank S., 2006)
Assessments innerhalb der einzelnen Fachbereiche und bei spezifischen Diagnosen
Je nach Fachbereich und zu Grunde liegender Diagnose werden zum Teil unterschiedliche Assessments in der Ergotherapie eingesetzt. Ebenso gibt es aber auch diagnose- und fachbereichsunabhängige Assessments. Eine große Anzahl speziell ergotherapeutischer Assessments basieren dabei auf ergotherapeutischen Praxismodellen wie beispielsweise dem CMOP aus Kanada oder dem MOHO aus den Vereinigten Staaten.
Werden von Ergotherapeuten berufsfremde Assessments verwendet, sollten diese mit den Kerngedanken aus den ergotherapeutischen Praxismodellen kompatibel sein. Die Sichtweise der Betätigung und Aktivität auf das Wohlbefinden der Person wird in den ergotherapeutischen Modellen anschaulich erklärt und deckt sich in den Grundüberlegungen dabei mit dem biopsychosozialen Modell der Gesundheit der WHO, aber auch mit der ICF – Klassifikation, welchen die WHO im Jahr 2001 einführte. Die im ergotherapeutischen Prozess verwendeten Assessments sollten dieses Menschenbild teilen und es erkennbar als Grundlage verwenden.
Um nun einen Einblick in die Vielfältigkeit der Assessments in der Ergotherapie geben zu können, folgt eine Beispielliste mit Instrumenten aus dem MOHO Konzept. Nachdrücklich zu betonen bleibt, dass die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, sondern lediglich einen Einblick über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Assessments in der Ergotherapie liefern soll. Daneben gibt es noch viele weitere Assessment aus anderen ergotherapeutischen Praxismodellen, aber auch von anderen Berufsgruppen.
Als Selbstbewertungsinstrumente (Self – Assessment) stehen durch das MOHO Konzept unter anderen zur Verfügung:
- Betätigungsfragebogen (Occupational Questionnaire, OQ)
- Interessen – Checkliste (Intereset Checklist, IC)
- National – Institute of Health – Aktivitätenaufzeichnung (NIH Activity Record, ACTRE)
- Occupational Self Assessment (OSA)
- Child Occupational Self Assessment (COSA)
- Pädiatrische Interessensprofile (Pediatric Interest Profiles, PIP)
- Rollen Checkliste (Role Checklist, RC)
Als Interviews stehen unter anderen zur Verfügung:
- Fragebogen zum Einfluss der Arbeitsumgebung auf den Stelleninhaber (Work Environment Inventory Scale, WEIS)
- Interview zur Rolle des Arbeitenden (Worker Role Interview; WRI)
- Occupational Circumstances Assessment Interview and Rating Scale (OCAIRS)
- School Setting Interview (SSI)
Als Beobachtungsinstrumente stehen unter anderen zur Verfügung:
- Assessment der Kommunikations- und Interaktionsfertigkeiten (Assessment of Communication und Interaction Skills, ACIS)
- Assessment der motorischen und prozesshaften Fertigkeiten (Assessment of Motor & Process Skills, AMPS)
- Fragebogen zur Volition (Volitional Questionnaire, VQ)
- Pädiatrischer Volitionsfragebogen (Pediatric Volitional Questionnaire, PVQ)
Sogenannte gemischte Methoden sind zum Beispiel:
- Assessment of Occupational Functioning (AOF)
- Model of Human Occupation Screnning Tool (MOHOST)
- Short Child Occupation Profile ( SCOPE)
- Occupational Therapy Psychosocial Assessment of Learning (OT PAL)
Ein weiterhin sehr weit verbreitetes und beliebtes Assessment in der Ergotherapie ist das halbstrukturierte Interview COPM, welches aus dem kanadischen CMOP Modell entstammt. Dies kann in allen Fachbereichen verwendet werden und garantiert ein klientenzentriertes und betätigungsorientiertes Arbeiten. Für den Fachbereich Pädiatrie existiert zudem eine Kinderversion, das COPM a kids, welches mit dem COPM inhaltlich aber vollkommen gleichzusetzen ist.
Vor dem Einsatz von Assessments in der Ergotherapie
Bevor nun Assessmentinstrumente im therapeutischen Alltag eingesetzt werden, sollte es zu wie bei vielen anderen therapierelevanten Materialien auch, zu einer Einarbeitung und Auseinandersetzung mit der dahinterstehenden Theorie kommen. So sollen die Praxismodelle auf denen das Assessment basiert in den Grundzügen erfasst und verstanden werden. Ebenso sollte das zum Assessment dazugehörige Manual durchgearbeitet werden. Zum Teil werden auch Lehrgänge und Fortbildungen angeboten (z.B. AMPS, COPM, etc.) Eine intensive theoretische Auseinandersetzung mit dem Assessment wird vor der praktischen Durchführung dringend empfohlen.
Möglichkeiten und Grenzen von Assessments
Der Einsatz klientenzentrierter Assessments bietet im Bereich einer qualitätsorientierten Therapie viele Möglichkeiten für Therapeuten und Klienten an, stößt aber auch immer wieder an Grenzen.
Möglichkeiten die mit Assessments im therapeutischen Prozess entstehen können:
- Veränderungen werden durch am Alltag orientierte Ziele spür- und messbar
- die Nennungen beziehen sich auf Betätigungen, die Relevanz im Alltag des Klienten haben
- der ergotherapeutische Arbeitsauftrag wird durch alltagsorientierte Zielfindung für alle Beteiligten transparenter
- Klienten fühlen sich durch die aktive Beteiligung am Therapieprozess ernst genommen, was die Motivation an der Mitarbeit steigert
- der Fokus der Therapie liegt auf der ganzheitlichen Sichtweise des Kindes; Stärken können dadurch besser wahrgenommen und in die Therapie einbezogen werden
- die Befundung wird effektiver, da Tests und Screenings gezielter ausgewählt werden können
Grenzen von Assessments im therapeutischen Prozess:
- Klientenzentrierte Sichtweise und Sprache muss vom Therapeuten als Grundlage mitgebracht werden
- Kinder müssen bedingt in der Lage sein, Ihre Schwierigkeiten zu erkennen und zu verbalisieren. Deshalb sollte sie weder deutliche kognitive Einschränkungen noch gravierende Sprachentwicklungsverzögerungen aufweisen
- Emotionale Schwankungen wie z.B. dass dem Klienten an einem Tag gar nichts gelingt, an anderen Tagen jedoch alles gut läuft, können schwer aufgenommen werden
- die partnerschaftliche Rollenverteilung kann für Eltern wie auch für Kinder zu Beginn ungewohnt sein
(Strebel H., 2006)
Literatur
- Strebel H. (2006): Ergotherapie im Arbeitsfeld Pädiatrie, Thieme Verlag, Stuttgart
- Harth A., Pinkepank S., (2006): Vom Behandeln zum Handeln, 3. überarbeitete Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart
- Weitere Infos über Assessments, Kurzbeschreibungen und zum Teil kostenlose Exemplare unter www.assessment-info.de oder für Mitglieder des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten auf der Internetseite des Berufsverbandes
Ist ein sehr guter Artikel. Ich interessiere mich für eine Fortbildung in diesem Bereich (Mohost), können Sie mir da mit Informationen oder Anbietern weiterhelfen?
Ich danke Ihnen für diesen übersichtlichen Artikel. Aufgrund meines gerade begonnenen weiterführenden Studiums im Bereich der Ergotherapie ist mir der Nutzen durch die beweisbarkeit durch Assesments wieder sehr bewusst geworden!
Hier habe ich nun weinen wiedererweckenden Eindruck von unseren Möglichkeiten.
Danke dafür!